Dr. Marco Buschmann

Mitgliedermagazin des Bundesverbandes der Freien Berufe e. V „der freie beruf“

Wenn wir dieses Jahr den 75. Geburtstag des Grundgesetzes feiern, feiern wir damit vor allem die Freiheiten, die unsere Verfassung uns Bürgerinnen und Bürgern garantiert. Zu diesen Freiheiten gehört natürlich auch die Berufsfreiheit. Dass jede und jeder einen Beruf ergreifen kann, der den eigenen Fähigkeiten und Vorstellungen entspricht, ist nicht nur Ausdruck des grundgesetzlich geschützten Rechts, den Beruf frei zu wählen. Es ist auch ein ganz wesentlicher Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolgsmodell der Bundesrepublik Deutschland.

Entscheidet man sich, einen freien Beruf zu ergreifen, dann zeigt man, dass einem nicht nur die freie Wahl des Berufes von Bedeutung ist, sondern auch die Freiheit in diesem Beruf selbst. Man möchte in Eigenverantwortung handeln, selbstständig und unabhängig. Dafür ist man bereit, ein Risiko einzugehen: das volle wirtschaftliche Berufsrisiko. Es stimmt schon: Freiheit gibt es nie ohne ein gewisses Risiko. Aber fast anderthalb Millionen Freiberuflerinnen und Freiberufler in Deutschland finden, dass es dieses Risiko wert ist.

Unsere Gesellschaft profitiert immens von den freien Berufen. Denn wer freiberuflich tätig ist, muss grundsätzlich eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft an den Tag legen, braucht hohe Kreativität und erreicht damit mehr für sich und andere. Die freien Berufe umfassen so unterschiedliche Gruppen wie Ärzte und Apotheker, Rechtsanwälte und Steuerberater, Lotsen und Biologen, Dolmetscher und Hebammen. Schon an dieser kleinen Auswahl sieht man: Freiberufler bieten Dienstleistungen an, die im Laufe des Lebens nahezu jede und jeder von uns in Anspruch nimmt.

So haben die freien Berufe eine doppelte Wirkung: Sie erlauben dem Individuum, sich in Freiheit zu verwirklichen, und sie übernehmen Schlüsselfunktionen in Gesellschaft und Wirtschaft, in Wissenschaft, Kunst und Kultur. Ohne freie Berufe wäre unser Land ärmer, und das ist auch wörtlich zu verstehen. Denn die freien Berufe sind Teil des selbstständigen Mittelstandes, und es ist dieser Mittelstand, der die Wirtschaft unseres Landes wesentlich trägt. Freiberufler erwirtschaften 10,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und beschäftigen 4,6 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wer selbstständig ist, der hat Lust zu machen und zu schaffen. Der Staat sollte dazu ermutigen und keine Steine in den Weg legen. Deswegen hat die Bundesregierung das größte Bürokratieabbauprogramm der deutschen Geschichte vorgelegt. Gerade wer einen freien Beruf ergreift, will nicht durch bürokratische Fesseln gehemmt werden. Von nun an soll gelten: Mehr Wirtschaft, weniger Zettel.

Für Freiberufler sind Eigenverantwortung, Entscheidungsfreiheit und Unabhängigkeit unabdingbar. Unabhängigkeit bedeutet dabei insbesondere Unabhängigkeit von staatlicher Einflussnahme. Gerade die Unabhängigkeit der rechtsberatenden Berufe ist für den Rechtsstaat unerlässlich, und sie hat für das Bundesministerium der Justiz einen hohen Stellenwert. Diese Unabhängigkeit wird in Deutschland über die Selbstverwaltungen der rechtsberatenden Berufe abgesichert. Sie entscheiden über die Zulassung und üben die Berufsaufsicht aus, es ist ihre Aufgabe, die Einhaltung der rechtlichen Pflichten der Berufsträgerinnen und Berufsträger zu überwachen.

Dabei sind die Selbstverwaltungskörperschaften selbstverständlich an Gesetz und Recht gebunden. Die staatlichen Behörden üben hier zwar die Rechtsaufsicht aus. Doch im Gegensatz zu einer Fachaufsicht beurteilt die Rechtsaufsicht weder Zweckmäßigkeit noch Wirtschaftlichkeit des Handelns der Selbstverwaltungskörperschaften. Die Behörden können daher keine Qualitätskontrolle durchführen, die über die rechtlichen Vorgaben hinausginge. Sie können auch nicht überprüfen, ob die Selbstverwaltungsbehörde die beste Form der Aufsicht gewählt hat. Außerdem kann die staatliche Behörde keine Weisungen im Einzelfall erteilen. All das verantworten die Selbstverwaltungen. Sie sind damit ein Garant für die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder und ein Schutz vor unverhältnismäßigen staatlichen Eingriffen.

Wir wollen die Selbstverwaltung der rechtsberatenden Berufe weiter stärken. Daher haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der hybride und virtuelle Kammerversammlungen in den rechtsberatenden Berufen ermöglicht. Von diesen Regelungen werden sowohl die Kammern als auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer profitieren. Für die Kammern wird es damit leichter werden, eine passende Versammlungsform zu finden. Zugleich wird die Teilnahme an diesen Versammlungen mit weniger Aufwand und Kosten verbunden sein. Dadurch werden Zugangsschwellen gesenkt. Die Neuregelung kann also dazu beitragen, die Teilnehmerzahl an den Kammerversammlungen zu erhöhen. Das würde für die Selbstverwaltungen eine Stärkung ihrer demokratischen Legitimation und damit auch ihrer Unabhängigkeit bedeuten.

Die Unabhängigkeit der rechtsberatenden Berufe ist für den Rechtsstaat unverzichtbar. Wir sollten sie fördern, wo immer wir können. Denn Unabhängigkeit, Eigenverantwortung und Freiheit sollte man nicht mit Misstrauen begegnen. Sie sind der Sinn und das Fundament unserer politischen und gesellschaftlichen Ordnung.